Die verlorene Generation:
Was es junge Europäer kostet, immer online zu sein


Vernetzter denn je – aber dennoch allein? In unserer „Immer-Online-Kultur“ wird darüber debattiert, wie sich diese dauerhafte Beanspruchung auf unsere mentale und körperliche Gesundheit auswirkt. Der STADA Health Report 2024 legt auch nahe, dass die mentale Gesundheit der Europäer im Vergleich zu den Vorjahren recht stabil ist. Doch es zeichnet sich ein alarmierender Trend ab: Obwohl die jungen Europäer insgesamt glücklicher sind als andere Gruppen, haben sie deutlich mehr mit ihrer mentalen Gesundheit zu kämpfen. Die Gründe dafür sind vielfältig – und nur bedingt selbst verschuldet.

Die meisten Europäer sind glücklich

Zwei von drei Europäern (67) bezeichnen sich selbst als „ziemlich“ oder „sehr glücklich“. Etwa ein Viertel (26) befindet sich irgendwo dazwischen und schwankt zwischen „weder glücklich noch unglücklich“, und 7 Prozent sind „(sehr) unglücklich“ – oberflächlich betrachtet also ein nicht allzu besorgniserregendes Resümee. Aber während man erwarten könnte, dass die glücklichsten Menschen in Europa in Skandinavien leben, wie die kürzlich für den World Happiness Report 2024[1] erhobenen Daten zeigen, zeichnet der STADA Health Report ein anderes Bild. Während die Menschen in Finnland (65), Dänemark (67) und Schweden (63) über ein durchschnittliches oder sogar leicht unterdurchschnittliches Maß an individuellem Glücklichsein berichten, werden sie von Usbekistan (87), den Niederlanden (80), Irland (77), Frankreich (74), UK und der Schweiz (jeweils 73) übertrumpft. Ein gemeinsamer Trend zieht sich jedoch wie ein roter Faden durch die Ergebnisse des STADA Health Report 2024: Generell nimmt das Glücklichsein mit dem Alter ab. Bei den 18- bis 34-jährigen Europäern sind 72 Prozent „ziemlich“ oder „sehr glücklich“, bei den Europäern mittleren Alters sind es 67 Prozent und bei den über 55-Jährigen 65 Prozent. Aber ist das subjektive Glücksniveau eine Voraussetzung für eine gute mentale Gesundheit? Macht Glück uns gesund? 

[1] Helliwell, J. F., Layard, R., Sachs, J. D., De Neve, J.-E., Aknin, L. B., & Wang, S. (Eds.). (2024). World Happiness Report 2024. University of Oxford: Wellbeing Research Centre. 

Mentale Gesundheit der Europäer verschlechtert sich

Während der Anteil der Europäer mit guter mentaler Gesundheit von 2022 zu 2023 um 10 Prozentpunkte auf 67 Prozent stieg, schätzen heute 65 Prozent von ihnen ihr mentales Wohlbefinden als „gut“ oder „sehr gut“ ein. In Osteuropa zeigen sich große Unterschiede bei der Beurteilung der mentalen Gesundheit: Länder wie Rumänien (85) und Bulgarien (80) zeigen sich sehr zufrieden, während Nationen wie Ungarn (48) und Tschechien (53) eine vergleichsweise schlechtere mentale Gesundheit melden. Männer (69) bewerten ihre mentale Gesundheit deutlich positiver als Frauen (61). Betrachtet man Generationen im Vergleich, so liegen die Europäer über 55 Jahre mit 70 Prozent an der Spitze, gefolgt von jenen zwischen 35 und 54 Jahren (64) und den jungen Europäern (59). Offensichtlich gehört zu einer guten mentalen Gesundheit mehr als „nur“ Glück.

Europa in der Einsamkeits-Epidemie

Im Jahr 2023 erklärte die WHO Einsamkeit zu einem „globalen Risiko für die öffentliche Gesundheit“, setzte ihre möglichen gesundheitlichen Auswirkungen mit denen starken Rauchens gleich und betonte, dass „soziale Isolation weder Alter noch Grenzen kennt“. Tatsächlich sagt etwas mehr als die Hälfte – 52 Prozent – der Europäer, dass sie sich fast immer, oft oder gelegentlich einsam fühlen. Und obwohl man annehmen könnte, dass ältere Menschen besonders von Einsamkeitsgefühlen betroffen sind, ist das Gegenteil der Fall.

Von den Europäern über 55 Jahre geben 41 Prozent an, dass sie sich einsam fühlen, deutlich weniger als die fast zwei von drei Personen (63) in der Altersklasse zwischen 18 und 35 Jahren. Die Mehrheit der Menschen, die angeben, „viel“ (64) oder „ziemlich viel“ (53) Zeit mit sozialen Medien zu verbringen, ist deutlich häufiger von Einsamkeitsgefühlen betroffen als diejenigen, die ihre Bildschirmzeit begrenzen (43). Menschen, die viel Zeit am Bildschirm verbringen, neigen auch zu stärkeren Einsamkeitsgefühlen (44) als diejenigen, die weniger Zeit online verbringen (26) – und es ist wahrscheinlich keine Überraschung, dass Europäer unter 34 Jahren viel häufiger stundenlang auf ihr Gerät schauen (41) als jene zwischen 35 und 54 Jahren (22) und Menschen über 55 Jahre (13). In Sachen Selbstwahrnehmung haben junge Europäer noch einen weiten Weg vor sich: Nur 20 Prozent von ihnen führen ihre Einsamkeitsgefühle auf die vielen Stunden zurück, die sie mit sozialen Medien oder Computerspielen verbringen. Für sie ist die Arbeit (27) der größte Treiber für Einsamkeit, gefolgt von Home-Office (15), Care-Arbeit (15), dem Verlust geliebter Menschen (14) oder einem Umzug aus beruflichen Gründen (14).

Auf Länderebene fühlen sich die Menschen in Polen (61), Finnland und Schweden (je 59), der Slowakei (58) sowie Italien und Kasachstan (je 57) am einsamsten. In ganz Europa werden Arbeit, zu wenig Freizeit (23), der Verlust von Partnern, Familienmitgliedern oder Freunden (17) und schlechte Gesundheit oder Mobilitätsprobleme (14) am häufigsten als Ursachen für Einsamkeit genannt. Frauen (57) fühlen sich deutlich einsamer als Männer (46) und geben doppelt so häufig wie sie Care-Arbeit (16) als Grund für Einsamkeit an (8). Die gute Nachricht: Im Großen und Ganzen bezeichnen 63 Prozent der Europäer ihre Einsamkeit, unabhängig davon, wie häufig sie verspürt wird, als „nicht schwerwiegend“. Insgesamt fühlen sich Menschen, die mit ihrem Aussehen zufrieden sind und über eine gute mentale und körperliche Gesundheit verfügen, seltener einsam.

On a country level, people in Poland (61), Finland and Sweden (59 each), Slovakia (58), Italy and Kazakhstan (57 each) feel loneliest. Across Europe, work, insufficient amounts of free time (23), loss of partners, family members or friends (17) and poor health or mobility issues (14) are cited most frequently as causes of loneliness. Women (57) feel significantly lonelier than men (46) and are twice as likely to cite childcare duties (16) as a reason for feeling lonely than their male counterparts (8). The good news: by and large, 63 percent of Europeans describe their loneliness, however frequent, as “not severe”. Overall, people who are satisfied with their appearance and have good mental as well as physical health are less likely to feel lonely.

Bessere Work-Life-Balance gegen Einsamkeit

Dennoch birgt Einsamkeit ernste mögliche Langzeitfolgen: Neben den offensichtlicheren Auswirkungen wie Depressionen und Angstzuständen erhöht sie auch das Risiko für Schlaganfälle, Herzkrankheiten, Typ-2-Diabetes, Sucht und Demenz. Um der Einsamkeitsepidemie entgegenzuwirken, fordert fast jeder zweite Europäer (46) eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, insbesondere in Serbien (59) und Portugal (58). Weitere 43 Prozent geben an, dass eine bessere wirtschaftliche Situation die Einsamkeit lindern könnte. Auch hier ist Serbien Spitzenreiter (63). Zu den weiteren Vorschlägen gehören eine bessere Verfügbarkeit und ein besserer Zugang zu Freizeitaktivitäten (35) und drei von zehn (30) sind sich im Klaren darüber, dass sie es selbst in der Hand haben, weniger Zeit online zu verbringen. Darüber hinaus finden 28 Prozent, dass es mehr spezifische Angebote für ältere Menschen geben sollte. 27 Prozent wünschen sich einen besseren Zugang zu Therapieangeboten. In Spanien (44), Polen (41) und Finnland (40) scheint der Bedarf besonders groß zu sein.

Schlechte Work-Life-Balance und zu wenig Therapieangebote führen zu Erschöpfung: 60 Prozent der Europäer geben an, dass sie bereits unter Burnout gelitten oder zumindest vorübergehend Burnout-Gefühle gehabt haben. Im Jahr 2022, als sich der Health Report das letzte Mal mit diesem Thema befasste, galt dies für 59 Prozent der Europäer. Jetzt berichten die Menschen in Dänemark (73), Serbien (72), Irland (71) und Kasachstan (68) am häufigsten über Burnout-Gefühle. Es mag überraschen, dass die Europäer, die sich am besten mit Burnout auskennen, diejenigen sind, die am kürzesten arbeiten und studieren: Menschen im Alter zwischen 18 und 34 Jahren (69). Darüber hinaus sind diejenigen, die viel Zeit in sozialen Medien verbringen (68 gegenüber 53, die wenig Zeit online verbringen), eher von Burnout betroffen, ebenso haben Frauen ein deutlich höheres Burnout-Risiko (65) als Männer (54).

Junge Europäer haben am meisten Angst vor dem Altern

Junge Europäer sind nicht nur besorgt über ihren mentalen Gemütszustand, sondern auch darüber, was die Zukunft bringen mag: 46 Prozent von ihnen bereitet Altern und alles, was damit einhergeht, Unbehagen. Europaweit geben 43 Prozent an, dass sie sich Sorgen über das Älterwerden machen, während 44 Prozent dem entspannt entgegensehen und sich weitere 13 Prozent unsicher sind. In Polen (53), UK (51) und Irland (50) sind die Ängste vor dem Älterwerden am größten – im Gegensatz zu den Niederlanden (31), der Schweiz (32) und Serbien (33).

Bei jenen, denen das Altern keine Sorgen bereitet, scheint Akzeptanz eine entscheidende Rolle zu spielen. 79 Prozent derjenigen, die dem Altern unbeeindruckt entgegenblicken, bezeichnen es als einen „natürlichen Teil des Lebens“ – derartige Gelassenheit legen insbesondere die Finnen an den Tag (87). 48 Prozent derjenigen, die sich keine Gedanken über das Altern machen, ist eine gewisse Gleichgültigkeit gegenüber unveränderlichen Dingen ein Trost, insbesondere in Ungarn und Tschechien (59). Andere Gründe sind die Vorfreude auf den Ruhestand und die Zeit, die man für sich selbst hat oder mit seinen Lieben verbringen kann (16), worauf man sich in Österreich (33), Deutschland (27), Schweden (26) und der Schweiz (24) am meisten freut. Die Religion und der Glaube, dass es mehr als das irdische Leben gibt, ist für 16 Prozent der Europäer eine Quelle des Trostes, vor allem in Österreich, der Schweiz, Irland, der Slowakei und Ungarn (je 20). Menschen, die glücklich sind (40 vs. 59 unglücklich), mit ihrem Aussehen zufrieden sind (37 vs. 54 unzufrieden) und eine gute mentale Gesundheit haben (38 vs. 58 schlechte mentale Gesundheit), machen sich weniger Sorgen wegen des Älterwerdens.

Krankheit, körperlicher Verfall und Belastung anderer größte Alterssorgen

Am meisten Sorgen bereitet den Europäern der mögliche altersbedingte körperliche Verfall (68), der vor allem die Menschen in Finnland (79) und Ungarn (77) beunruhigt. Die zweitwichtigste Sorge sind Krankheiten wie Parkinson, Alzheimer und Demenz, die häufig mit fortgeschrittenem Alter auftreten – sechs von zehn Europäern finden sie beunruhigend, vor allem die Portugiesen (75), direkt gefolgt von der Vorstellung, anderen zur Last zu fallen (59), ebenfalls eine große Sorge der Portugiesen (74) und Spanier (73). Etwas mehr als jeder Zweite (55) hat Angst vor chronischen Krankheiten wie Krebs und Herzproblemen, vor allem in Portugal (68), Tschechien (65) sowie in Serbien und Schweden (je 63). Interessanterweise beunruhigt altersbedingt verändertes Aussehen die Europäer – wenn auch nur geringfügig – mehr oder fast genauso stark (43) wie der Verlust von Freunden und Familie (42). Nur einer von drei Europäern befürchtet, im Alter aufgrund von Isolation einsam zu werden. 

Mehrheit an Gentests zur Vorhersage von Krankheiten interessiert

Einige dieser Befürchtungen mögen berechtigt sein – doch gibt es bereits Methoden, die helfen können, einige der oben genannten Szenarien zu verhindern. Gentests beispielsweise können helfen, individuelle Veranlagungen für bestimmte Krankheiten zu erkennen und sie – dank rechtzeitiger Intervention – zu verhindern oder zu behandeln, bevor sie sich manifestieren.

Generell würden 77 Prozent der Europäer einem solchen Test zustimmen, wenn ihr Hausarzt ihn empfiehlt – ein Rückgang um 4 Prozentpunkte im Vergleich zu 2023. Von denjenigen, die sich einem Gentest unterziehen würden, fühlen sich 16 Prozent unwohl bei dem Gedanken, ihr genetisches Material untersuchen zu lassen. Die Portugiesen, die sich viele Gedanken darüber machen, was im Alter passieren könnte, stehen Gentests am offensten gegenüber: neun von zehn geben an, dass sie einem solchen Test zustimmen würden. Auch in Polen (84), Serbien und Irland (82) haben die Menschen wenig Bedenken gegenüber solchen neuzeitlichen Techniken. Etwa einer von zehn Europäern steht Gentests skeptisch gegenüber und würde es vorziehen, nichts von möglichen zukünftigen Gesundheitsproblemen zu wissen (13), wobei die größte Skepsis aus der Schweiz (22) und den Niederlanden (21) kommt.